Krankhafte Entscheidungsschwäche: Wenn Zwänge das Leben bestimmen

Wer kennt ihn nicht: den Zwang, einmal und noch einmal umzukehren, um zu überprüfen, ob die Herdplatte wirklich aus ist, man die Haustür tatsächlich abgeschlossen oder die allmorgendliche Weckzeit im Handy auch richtig gespeichert hat. Das alles sind Zwangshandlungen – in der Regel harmlos, solange sie nicht stundenlang wiederholt werden und die eigenen Gedanken gänzlich vereinnahmen. Doch was ist, wenn genau das der Fall ist?

Seit mehr als zehn Jahren habe ich eine krankhafte Entscheidungsschwäche: Es fällt mir schwer, im Supermarkt Brot, Butter und Milch zu kaufen, weil das Angebot so groß ist, shoppen zu gehen, weil mich bereits die Auswahl einer bestimmten T-Shirt-Farbe überfordert und zur Arbeit zu gehen, weil der Zwang mein ganzes Leben bestimmt. Oft frage ich mich, was in meinem Kopf eigentlich vorgeht, weshalb ich nicht einmal eine Banane kaufen kann, ohne sie mit all den anderen zu vergleichen, um letztlich „die Perfekte“ auszuwählen. Es ist nun einmal so, das habe ich erkannt. Doch das heißt nicht, dass ich es akzeptiere, denn mein Zwang hat eine schwerwiegende Essstörung zur Folge. Der einzige Ausweg: eine Therapie.

Der Teufelskreis der Neurose

Ich habe mich viel mit dem Thema Zwangsstörung beschäftigt, denn ich möchte raus aus diesen Teufelskreis aus Fremdbestimmtheit und Kontrollverlust. Alle Menschen mit einer neuropsychiatrischen Erkrankung kennen den inneren Drang, etwas Bestimmtes tun zu müssen: sei es Händewaschen, Selbstverletzung, die Ausübung religiöser Rituale oder Vergleichbares. D.h. es werden Handlungen ausgeführt, die auf Zwangsgedanken beruhen – also zum Beispiel: Ich muss mich waschen, weil ich Angst vor einer Infektion habe. Es handelt sich dabei also um Handlungen, die mehr oder weniger logisch bedingt sind, aber grundsätzlich gegen den eigenen Willen erfolgen – zum Beispiel was die Häufigkeit angeht oder etwa, wie sehr das Denken daran einen davon abhält, ein normales Leben zu führen. Auch bei mir zeigen sich die typischen Symptome, wenn ich versuche, meinen Zwang zu „ignorieren“: innere Anspannung und Panikattacken.

Behandlungsmöglichkeiten – Wege und Aussichten

Ich mache eine Verhaltenstherapie und nehme Antidepressiva – erst seit Kurzem und daher noch ohne spürbare Veränderungen. Kombiniert oder beides einzeln? Die beste Behandlungsform hängt wohl von der Schwere und dem Verlauf der jeweiligen Zwangsstörung ab. Grundsätzlich aber gilt: Die Rückfallquote ist hoch (nahezu 90 Prozent) und eine vollständige Heilung selten. Doch auch auf die Gefahr hin, zu diesen 90 Prozent zu gehören oder mein ganzes Leben lang Medikamente nehmen zu müssen: Ich möchte ein normales Leben führen – ohne Entscheidungszwang und ständige Panikattacken.


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