„Molli“, „Pummel“, „Dicki“ – diese und ähnliche Attribute bekommen Menschen mit Übergewicht wie ich oft nicht nur hinter vorgehaltener Hand mit, sondern als öffentliches Stigma überall und unverhohlen zu spüren: beim Shoppen, bei der Arbeit, im Sommer oder beim Joggen, durch geringschätzige Blicke, offensichtliches Tuscheln mit dem Nebenmann oder wenn im Laden ab Größe 42 weder Jeans noch Shirt am Kleiderbügel hängen. Im Gegensatz zu den meisten Übergewichtigen bin ich allerdings nicht nur dick, sondern habe Adipositas, einen BMI von 33 und bin damit „fettleibig“.
14 Prozent aller Frauen haben das gleiche Problem – das tröstet leider nur bedingt. Ich weiß: Diabetes, hoher Blutdruck, Krebs und Herzinfarkt sind mögliche Folgen von Adipositas-Erkrankungen, doch etwas anderes wiegt – paradoxerweise – schwerer: die psychische Belastung, die Geringschätzung und Stigmatisierung von außen. Einer aktuellen Studie der Universität Leipzig zufolge sind ebendies die Gründe, die „bloß Übergewichtige“ krank werden lassen: Vorurteile, Verachtung und eine „sie sind selbst schuld“-Haltung. Diese Stempel sind schnell aufgedrückt, doch für Betroffene nur schwer zu ertragen.
Veranlagung ist eine Sache, angelernte Essgewohnheiten eine andere – ich komme aus dem gefährlichen Kreislauf aus Genuss, Sucht und Depression nicht heraus, obwohl ich es mir oft vornehme. Ich gehe regelmäßig schwimmen, obwohl jede öffentliche Zurschaustellung meiner „Kurven“ eine große Überwindung ist, und einmal die Woche in eine Selbsthilfegruppe, wo viel über Ursachen, Wirkung, das eigene Selbstbild, Akzeptanz und mögliche Auswege gesprochen wird. Geholfen hat bisher noch nichts, doch ich werde es weiter versuchen – nicht um der öffentlichen Meinung, sondern um meinetwillen. Nächster Schritt: mehr Selbstbewusstsein, mehr Bewegung, mehr Obst – Supermodel werde ich in diesem Leben sicher nicht mehr, aber ein BMI von 25 ist mein langfristiges Ziel.
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