Dresden/Berlin – «Tbc an Dresdner Schulen» – «Tuberkulose – Dresdner Schulen dicht» – die Schlagzeilen schreckten Anfang Dezember 2017 in Sachsen auf.
Nach dem Bekanntwerden von vier Fällen von Lungentuberkulose an zwei Dresdner Privatschulen untersuchten Ärzte vorsorglich alle Lehrer und Schüler des Trägers sowie Menschen, die mit den Infizierten Kontakt hatten. Dazu wurde eine Schule vorübergehend geschlossen.
Ein Arzt hatte die Infektion bei einer Routineuntersuchung einer Schülerin diagnostiziert. Insgesamt trat die ansteckende Erkrankung bei drei Schülern und einem Lehrer auf. Bei folgenden Tests wurde eine weitere Infektion entdeckt. Der Auslöser konnte bisher nicht identifiziert werden, wie ein Sprecher des Gesundheitsamtes sagte. «Wir wüssten das auch gern.»
Der Ausbruch in Sachsen zeigt vor dem Welt-Tuberkulose-Tag an diesem Samstag: Auch 136 Jahre nach der erstmaligen Beschreibung des Tuberkulose-Erregers (Mycobacterium tuberculosis) am 24. März 1882 durch den späteren Nobelpreisträger Robert Koch bleibt die Infektionskrankheit nicht nur ein Thema für ärmere Regionen der Welt. Zu den Symptomen der Erkrankung gehören langwieriger Husten, Fieber und Gewichtsabnahme.
Die deutschen Fallzahlen hatten lange bei im Schnitt knapp 4400 pro Jahr stagniert, nahmen aber 2015 und 2016 deutlich zu – auf rund 5800 beziehungsweise knapp 6000 Erkrankungen bundesweit. Der Anstieg ging auch auf die vorgeschriebenen Untersuchungen bei Geflüchteten vor dem Einzug in Gemeinschaftsunterkünfte zurück. Die bisher vorliegenden Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) deuten nun auf einen leichten Rückgang auf weniger als 5500 Tuberkulose-Fälle im Jahr 2017 hin – auch in Sachsen stach das vergangene Jahr nicht heraus.
Vom Jahr 2018 erhoffen sich Experten nun endlich Fortschritte im internationalen Kampf gegen die Krankheit, die durch Tröpfchen in der Luft übertragen werden kann:
Tuberkulose soll im Herbst erstmals Thema in der Generalversammlung der Vereinten Nationen sein. Es stehe so hoch in der politischen Agenda wie noch nie, erklärte das RKI.
Die Krankheit ist ein Risiko für Menschen, die zum Beispiel in Armut, auf engem Raum und ohne ausgewogene Ernährung leben. Insgesamt soll laut RKI ein Viertel der Weltbevölkerung infiziert sein – in den meisten Fällen gelingt es dem Immunsystem aber, den Erreger zu kontrollieren, so dass keine Symptome auftreten. In Deutschland kommt es bis heute vor, dass ältere Menschen an Tuberkulose erkranken, bei denen die Ansteckung auf die Kriegs- und Nachkriegsjahre zurückgeht. Das Auftreten im Alter kann durch andere Krankheiten begünstigt werden, die die Abwehrkräfte schwächen. Auch Menschen mit HIV-Infektion gehören zur Risikogruppe.
Die TB-Zahlen in Deutschland seien angesichts der Einwohnerzahl allerdings als «undramatisch» zu bewerten, betonte das Aktionsbündnis gegen Aids. Die Werte lagen Anfang der 2000er Jahre schon einmal höher – bei mehr als 7000 pro Jahr. Zum Vergleich: Weltweit gab es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2016 geschätzt rund 1,7 Millionen TB-Todesfälle und 10,4 Millionen Infektionen. Das Bündnis beklagt, dass hierzulande die Angst vor TB und das Auftreten von Einzelfällen von Parteien wie der AfD ausgeschlachtet und «zur rassistischen Agitation» gegen Einwanderer verwendet werde. Das sei nicht akzeptabel.
Die Voraussetzungen zum Erkennen und Heilen von TB hierzulande stufen Experten grundsätzlich als gut ein. Der Aufwand kann groß sein, wie das Dresdner Beispiel belegt: Die Behörden baten rund 1000 Schüler, Lehrer und Mitarbeiter der Schulen Ende Februar vorsorglich ein zweites Mal zum Bluttest. Das Ergebnis: Bei sieben Personen wurde TB auf den Organismus übertragen. «Sie sind aber nicht erkrankt und werden mit Antibiotika behandelt», hieß es beim Gesundheitsamt.
Grund zur Entwarnung in Sachen TB gibt es aber auch nicht, denn die WHO-Ziele sind hoch gesteckt: Todes- und Erkrankungsfälle sollen bis 2035 massiv sinken. Der Name der Strategie soll Programm sein: «End TB» – Tuberkulose ein Ende setzen. Die Anstrengungen müssten dafür «erheblich forciert» werden, berichteten RKI-Experten. Einen hochwirksamen Impfstoff gibt es allerdings bislang nicht. Die TB-Forschung ist Fachleuten zufolge jahrelang vernachlässigt worden.
Und weitere Probleme haben sich aufgetan: In den Genuss neuerer, vielversprechender Medikamente etwa kommt laut Ärzte ohne Grenzen nur eine kleine Minderheit der Menschen, die weltweit wegen resistenter TB behandelt werden. Vielfach kämen veraltete Medikamente mit Nebenwirkungen wie Taubheit und Psychose sowie schlechteren Heilungschancen zum Einsatz. Nicht nur eine Kostenfrage: In ärmeren Ländern, wo Firmen keine kommerziellen Interessen verfolgten, seien bestimmte Mittel bislang nicht registriert, so Experte Marco Alves.
Nach WHO-Angaben waren unter den TB-Erkrankungen von 2016 allein rund 490 000 Fälle mit multiresistenten Erregern, bei denen die wichtigsten Antibiotika wirkungslos sind. Aber: Selbst ohne resistente Erreger brauchen Patienten Durchhaltevermögen, um wieder gesund zu werden. Sie müssen in der Regel mindestens ein halbes Jahr lang konsequent Antibiotika nehmen.
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(dpa)