Dissoziative Identitätsstörung – Viele Menschen, ein Körper

Was Menschen aufgrund von Gewalt oder sexuellen Übergriffen alles erleiden mussten, mag man sich kaum vorstellen. Wahrscheinlich fragt man sich, wie diese Menschen dies ertragen und trotzdem weiterleben konnten. Die Antwort liegt häufig in der Ausprägung verschiedener Persönlichkeiten. Bei einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS) handelt es sich nämlich nicht um eine rein psychische Störung, sondern vielmehr um einen komplexen Überlebensmechanismus.

Oft wird DIS mit dem Krankheitsbild der Schizophrenie verwechselt. Im Gegensatz zu dieser ist es bei einer multiplen Persönlichkeitsstörung jedoch nicht immer dieselbe Person, die handelt. Während bei der Schizophrenie eine Wahnvorstellung zur Realität erklärt wird, wechselt bei der DIS die Person ihre komplette Identität mit einem eigenen Denken, Erinnerungen und Physiologie.

Die einzelnen Persönlichkeiten sind dabei voneinander abgespalten, d.h. dissoziiert

An die Handlungen der Einen, kann sich die Andere später nicht mehr erinnern. Das ist vor Allem für Opfer von Gewalt wichtig. Was ihnen angetan wurde, könnte ein Mensch allein nie verarbeiten. Deshalb helfen ihm die anderen Persönlichkeiten, einen Teil des Leides zu ertragen. Dabei kann es die Beschützerin, den Täter, das Kind oder den Gefühllosen geben. Generell gilt: Je mehr Persönlichkeiten ausgeprägt werden, desto schwerwiegender war das Trauma. Vor allem Kleinkinder sind besonders anfällig für DIS, denn ihre eigene Identität ist noch unausgeprägt.

Jede Persönlichkeit erfüllt eine spezielle Funktion

Bei einer Person mit DIS gibt es immer eine so genannte Gastgeberpersönlichkeit (Host). Diese ist für den Alltag mit all seinen Aufgaben zuständig und die meiste Zeit hervortretend. Daneben gibt es eine Vielzahl von anderen Persönlichkeiten (Alters), die allesamt ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich (wie z.B. Therapie, Autofahren, Sport) haben. Jeder ist für sich genommen sozusagen ein Fachidiot. Der Wechsel der Persönlichkeiten kann oft plötzlich und unvermittelt, meist aber durch bestimmte Reize stattfinden.

Bedauerlicherweise gilt DIS oft als Tabuthema

Viele Menschen und sogar einige Mediziner bezweifeln die Existenz dieser Störung. Innerhalb der Beratungs- und Therapielandschaft ist die Situation für Betroffene auch nicht besser. Angesichts der Angebote scheint es, dass man sich vielmehr um die Rehabilitation der Täter kümmert, als um die eigentlichen Opfer.


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