Berlin – «Es ist so hart, älter zu werden ohne jeden Grund», sang Frontmann Marian Gold von der Band Alphaville in dem Lied «Forever Young». Ein Leid, das viele Menschen kennen – und das jährlich Milliarden in die Kassen der Kosmetikindustrie spült.
Dabei lassen sich zunehmende Falten, Altersflecken und lichter werdendes Haar nicht nur mit Cremes und Lotionen bekämpfen. Was viele nicht wissen: Wie schnell wir äußerlich altern, hängt neben unseren Genen ganz wesentlich davon ab, wie wir uns verhalten, wo wir leben und wie wir mit unserer Umwelt umgehen.
Allein für Veränderungen der Haut, des größten sichtbaren Organs, sind die Zahlen deutlich. «20 bis 30 Prozent der Hautveränderungen werden durch genetische Faktoren bedingt. Die restlichen 70 bis 80 Prozent entstehen durch Umwelteinflüsse, zum Beispiel durch UV-Strahlung und Luftverschmutzung», erklärt Jean Krutmann, Leiter des Leibniz-Instituts für umweltmedizinische Forschung.
Wer verstehen möchte, warum Veränderungen unseres Aussehens so stark mit Umwelt und Verhalten zusammenhängen, muss einen genauen Blick in die Zellen des menschlichen Körpers werfen. «Altern betrifft nie nur ein Organ, es altert immer der gesamte Organismus. Äußerliche Veränderungen hängen also mit dem gesamten Alterungsprozess zusammen und können ein Indiz für den Zustand unseres Körpers sein», sagt Martin Denzel vom Max Planck-Institut für die Biologie des Alterns.
Ernähren wir uns fettig, trinken Alkohol, rauchen oder liegen zu lange in der Sonne, setzen wir unseren Körper biologischem Stress aus. Dadurch kommt es sowohl bei jungen als auch bei älteren Menschen zu molekularen Schäden, zum Beispiel in der DNA. Solche Schäden treten in jeder Minute tausendfach auf. Doch während ein junger Körper sie gut überwacht und schnell repariert, ist ein älterer Körper dazu immer weniger in der Lage. «Altern bedeutet, dass der Körper immer schlechter mit Stress umgehen kann. In den Körperzellen sammeln sich deshalb DNA-Mutationen. Dadurch können Organe leichter versagen oder Tumore entstehen», erklärt Denzel.
Auf die Haut haben solche Zellveränderungen zwei sichtbare Auswirkungen. «Das sind zum einen Veränderungen in der Hautpigmentierung. Sie wird inhomogen und es können Alterungsflecken auftreten. Zum anderen nimmt die Hautelastizität ab, es entstehen also Falten», sagt Krutmann. Dabei lasse sich der Unterschied zwischen genetisch bedingtem und äußerlich beeinflusstem Hautaltern mit bloßem Auge erkennen. «Jeder von uns bekommt im Alter feine Falten. Kommen jedoch Umwelteinflüsse hinzu, werden die Falten viel tiefer. Es wird dann mehr Kollagen abgebaut, ein Protein des Bindegewebes.»
Um herauszufinden, worunter die menschliche Haut besonders leidet, was sie verändert und altern lässt, führen Krutmann und seine Kollegen Tests im Labor durch. Während die schädliche, sogar krebserregende Wirkung von UV-Strahlung oder Tabakrauch bereits gut erforscht und nachgewiesen ist, stehen die Wissenschaftler beim Thema Luftverschmutzung noch am Anfang. In Petrischalen bringen sie echte Hautstücke in Kontakt mit Schadstoffen. «Bestreicht man die Haut mit Schwebstaub, lässt sich schnell eine Bräunung feststellen», sagt Krutmann. «Insbesondere Ruß aus Dieselmotoren hat sich als schädigend herausgestellt.» Ob neben diesen Pigmentveränderungen auch ein erhöhtes Risiko für Hautkrebs verursacht wird, konnte noch nicht erforscht werden.
Ein wesentlicher Treiber für das sichtbare Altern sind neben äußerlichen Einwirkungen auf die Haut aber auch Stoffe, die wir durch den Mund zu uns nehmen. Erst vor wenigen Wochen kam eine in der Fachzeitschrift «Epidemiology & Community Health» veröffentlichte Studie der Universität Süd-Dänemark zu dem Ergebnis, dass starker Alkoholkonsum und Rauchen äußerliche Anzeichen physischen Alterns verursachen können. So hätten bei den Testpersonen Falten an den Ohrläppchen, das Risiko für sogenannte Greisenbögen rund um die Pupillen und gelblich-oranger Belag auf den Augenlidern deutlich zugenommen. Die Forscher hatten Langzeitdaten von 11 500 Erwachsenen aus dem Großraum Kopenhagen ausgewertet.
Immer wieder zeigt sich dabei, dass Menschen trotz ähnlicher Umwelteinflüsse unterschiedlich schnell alt aussehen. Die schädigende Wirkung äußerer Faktoren hängt also auch von den körperlichen Voraussetzungen ab. «Menschen haben eine unterschiedliche genetische Ausstattung. Es gibt Menschen, die weit über hundert Jahre alt werden, obwohl sie geraucht oder Alkohol konsumiert haben», erklärt Denzel. Diese Unterschiede seien häufig auch sichtbar. «Die chronologische und die biologische Uhr können entkoppelt sein. Junges Aussehen kann ein Anzeichen dafür sein, dass ein Mensch biologisch jung geblieben ist.»
Auch wenn sich der Traum von ewiger Jugend also nicht gänzlich erfüllen lässt, gibt es doch Faktoren, die Geschwindigkeit und Sichtbarkeit unseres Alterns beeinflussen. Während wir an unseren Genen nichts ändern können, liegen Alkohol- und Tabakkonsum, Essensgewohnheiten, Sonnenschutz und Luftqualität in unserer Hand. Glaubt man den Experten, altert niemand «ohne jeden Grund» – nicht einmal die Band Alphaville.
Fotocredits: Manuel Lorenzo
(dpa)